Investitionen und Finanzierung bilden das Herzstück jeder unternehmerischen Tätigkeit. Ohne Kapital keine Maschinen, ohne Finanzierung keine Expansion. Große Konzerne, Mittelständler und Start-ups stehen täglich vor der Frage: Wofür geben wir unser Geld aus – und woher bekommen wir es?
Stell dir vor, Du hättest 100.000 Euro* zur Verfügung. Würdest Du lieber eine neue Maschine kaufen, die vielleicht in fünf Jahren Gewinne abwirft – oder das Geld sicher auf einem Sparkonto anlegen? Und wenn Du dich für die Maschine entscheidest: Nimmst Du einen Kredit auf oder investierst Du dein Eigenkapital? Genau solche Fragen beantworten Unternehmen täglich – und genau darum geht es bei Investition und Finanzierung.
Praxisbeispiel: Ein Start-up im Bereich nachhaltiger Mode plant eine neue Produktionslinie. Soll es Eigenkapital durch Investoren aufnehmen oder einen Bankkredit nutzen? Die Wahl beeinflusst Kosten, Unabhängigkeit und Risiko.
Dieser Artikel vermittelt die wichtigsten Begriffe, Methoden und Zusammenhänge – praxisnah erklärt mit Beispielen und klaren Berechnungen zum Nachvollziehen.
Warum sind Investitionen und Finanzierung so wichtig?
Unternehmen stehen permanent vor strategischen Entscheidungen: Soll in neue Technologien investiert werden? Lohnt sich der Kauf eines Konkurrenten? Wie finanzieren wir unser Wachstum? Diese Fragen betreffen nicht nur die Finanzabteilung, sondern das gesamte Management – und haben direkte Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit und den langfristigen Erfolg.
Für dein Studium bedeutet das: Investitions- und Finanzierungsrechnung gehören zum Pflichtprogramm in nahezu jedem wirtschaftswissenschaftlichen Studiengang. Du lernst hier, wie Unternehmen ihre begrenzten Ressourcen optimal einsetzen, Risiken bewerten und Renditen maximieren. Gleichzeitig schulst du analytisches Denken und die Fähigkeit, komplexe Entscheidungen strukturiert anzugehen.
In der Praxis nutzen Unternehmen diese Methoden täglich: Controller berechnen Kapitalwerte, CFOs entscheiden über Finanzierungsstrukturen, und Investitionsmanager bewerten Projekte nach ihrer Wirtschaftlichkeit. Wer diese Konzepte beherrscht, versteht die Sprache der Unternehmensführung.
Grundlagen und zentrale Begriffe
Bevor wir in die Tiefe gehen, klären wir die wichtigsten Begriffe, die dir in diesem Themenfeld immer wieder begegnen werden:
| Begriff | Definition | Praxisbeispiel |
|---|---|---|
| Investition | Verwendung finanzieller Mittel zur Schaffung von Erträgen in der Zukunft | Kauf einer Produktionsmaschine für 100.000 € |
| Finanzierung | Bereitstellung von Kapital zur Durchführung von Investitionen | Bankdarlehen über 50.000 € mit 5 % Zinsen |
| Kapitalstruktur | Verhältnis von Eigenkapital zu Fremdkapital | 60 % Eigenkapital, 40 % Fremdkapital |
| Liquidität | Fähigkeit, Zahlungsverpflichtungen jederzeit nachzukommen | Zahlungsmittelreserve von 20.000 € auf dem Bankkonto |
| Rentabilität | Verhältnis von Gewinn zu eingesetztem Kapital | 15 % Eigenkapitalrendite |
| Cashflow | Tatsächlicher Geldfluss in einem bestimmten Zeitraum | Einnahmen minus Ausgaben pro Quartal |
| Amortisation | Zeitraum, bis sich eine Investition durch Rückflüsse bezahlt macht | Investition amortisiert sich nach 3 Jahren |
Investition vs. Finanzierung – zwei Seiten derselben Medaille
Während die Investition die Verwendung von Kapital beschreibt (Wofür geben wir Geld aus?), befasst sich die Finanzierung mit der Herkunft des Kapitals (Woher bekommen wir das Geld?). Diese beiden Bereiche sind untrennbar miteinander verbunden:

- Investitionsentscheidungen bestimmen, welche Projekte, Maschinen oder Beteiligungen angeschafft werden.
- Finanzierungsentscheidungen legen fest, ob das benötigte Kapital durch Eigenkapital (z. B. Aktien), Fremdkapital (z. B. Kredite) oder interne Mittel (z. B. einbehaltene Gewinne) beschafft wird.
Praxisbeispiel: Tesla investiert Milliarden in neue Produktionswerke (Gigafactories). Die Finanzierung erfolgt teils durch Kapitalerhöhungen (Eigenfinanzierung), teils durch Anleihen (Fremdfinanzierung). Die Wahl der Finanzierungsform beeinflusst die Kapitalkosten und die finanzielle Flexibilität des Unternehmens.
Arten von Investitionen
Investitionen lassen sich nach verschiedenen Kriterien systematisieren. Die gängigste Unterscheidung erfolgt nach dem Investitionsobjekt:
1. Sachinvestitionen
Hierunter fallen alle materiellen Vermögensgegenstände, die ein Unternehmen erwirbt:
- Maschinen und Anlagen: Produktionsmaschinen, Roboter, Förderbänder
- Gebäude und Grundstücke: Fabrikhallen, Bürogebäude, Lagerflächen
- Fuhrpark: LKW, Firmenwagen, Gabelstapler
- Betriebs- und Geschäftsausstattung: Computer, Möbel, Werkzeuge
Praxisbeispiel: Die Volkswagen AG investiert 2 Milliarden Euro in den Ausbau eines Werks in Emden, um dort Elektrofahrzeuge zu produzieren. Diese Sachinvestition umfasst neue Fertigungsanlagen, Logistikflächen und moderne Lackierereien.
2. Finanzinvestitionen
Hierbei handelt es sich um Investitionen in Finanzanlagen:
- Beteiligungen: Kauf von Anteilen an anderen Unternehmen
- Wertpapiere: Aktien, Anleihen, Fonds
- Geldanlagen: Festgeld, Tagesgeld
Diese dienen oft der Diversifikation, der strategischen Positionierung oder der Anlage überschüssiger Liquidität.
3. Immaterielle Investitionen
Investitionen in nicht-materielle Güter, die dennoch wertsteigernd wirken:
- Forschung und Entwicklung (F&E): Entwicklung neuer Produkte oder Technologien
- Patente und Lizenzen: Erwerb von Schutzrechten
- Software und IT-Systeme: ERP-Systeme, Cloud-Infrastruktur
- Mitarbeiterqualifikation: Schulungen, Weiterbildungen
- Markenaufbau: Marketing- und Werbekampagnen
Praxisbeispiel: Bayer investiert jährlich über 5 Milliarden Euro in Forschung und Entwicklung neuer Medikamente und Pflanzenschutzmittel. Diese immateriellen Investitionen sind entscheidend für die Innovationskraft und Zukunftssicherung.

Arten von Finanzierungen
Die Finanzierung lässt sich nach verschiedenen Kriterien gliedern. Die wichtigsten Unterscheidungen sind:
Unterscheidung nach Rechtsstellung: Eigen- vs. Fremdfinanzierung
| Kriterium | Eigenfinanzierung | Fremdfinanzierung |
|---|---|---|
| Rechtsstellung | Kapitalgeber wird Miteigentümer | Kapitalgeber bleibt Gläubiger |
| Rückzahlung | Keine Rückzahlungsverpflichtung | Rückzahlung vereinbart |
| Vergütung | Gewinnbeteiligung (Dividende) | Festgelegte Zinsen |
| Risiko | Kapitalgeber trägt Unternehmensrisiko | Kapitalgeber hat vorrangigen Rückzahlungsanspruch |
| Mitsprache | Stimmrechte in der Regel möglich | Keine Stimmrechte |
| Beispiel | Ausgabe neuer Aktien | Bankdarlehen, Anleihe |
Eigenfinanzierung bedeutet, dass Eigentümer oder neue Anteilseigner Kapital zur Verfügung stellen. Bei Aktiengesellschaften geschieht dies durch Kapitalerhöhungen, bei Personengesellschaften durch Einlagen der Gesellschafter.
Fremdfinanzierung bedeutet, dass externes Kapital als Darlehen aufgenommen wird. Die Kreditgeber haben Anspruch auf Zinszahlungen und Rückzahlung, aber keine Mitspracherechte.

Unterscheidung nach Herkunft: Innen- vs. Außenfinanzierung
| Finanzierungsart | Kapitalherkunft | Beispiele |
|---|---|---|
| Innenfinanzierung | Aus dem Unternehmen selbst | Einbehaltene Gewinne, Abschreibungen, Rückstellungen |
| Außenfinanzierung | Von außerhalb des Unternehmens | Beteiligungskapital, Kredite, Fördermittel |
Die Innenfinanzierung (auch Selbstfinanzierung) nutzt Mittel, die im laufenden Geschäftsbetrieb entstehen. Sie ist besonders attraktiv, weil sie keine Abhängigkeit von externen Kapitalgebern schafft und kostengünstig ist.
Die Außenfinanzierung erfordert die Einbindung externer Kapitalgeber und ist notwendig, wenn die internen Mittel nicht ausreichen.
Kombinierte Übersicht: Finanzierungsmatrix
| Eigenfinanzierung | Fremdfinanzierung | |
|---|---|---|
| Außenfinanzierung | Beteiligungsfinanzierung (Aktien, Einlagen) | Kreditfinanzierung (Bankkredite, Anleihen) |
| Innenfinanzierung | Selbstfinanzierung (einbehaltene Gewinne) | Finanzierung aus Rückstellungen |
Praxisbeispiel: Ein mittelständisches Maschinenbauunternehmen finanziert eine Erweiterung durch: 40 % einbehaltene Gewinne (Innenfinanzierung/Eigenfinanzierung), 30 % Bankkredit (Außenfinanzierung/Fremdfinanzierung) und 30 % stille Beteiligung eines Investors (Außenfinanzierung/Eigenfinanzierung).
Investitionsrechnung: Methoden und Verfahren
Die Investitionsrechnung hilft Unternehmen, verschiedene Investitionsmöglichkeiten zu bewerten und die wirtschaftlich beste Alternative auszuwählen. Man unterscheidet zwischen statischen und dynamischen Verfahren.

Statische Verfahren
Statische Verfahren berücksichtigen keine Zeitwertunterschiede des Geldes. Sie arbeiten mit Durchschnittswerten und sind einfach zu berechnen:
1. Kostenvergleichsrechnung
Vergleicht die durchschnittlichen Kosten pro Periode verschiedener Investitionsalternativen. Die Alternative mit den geringsten Kosten wird bevorzugt.
Formel: Durchschnittskosten = (Fixe Kosten + Variable Kosten) / Leistungseinheiten
2. Gewinnvergleichsrechnung
Vergleicht den durchschnittlichen Gewinn pro Periode. Die Alternative mit dem höchsten Gewinn wird gewählt.
Formel: Durchschnittsgewinn = Durchschnittliche Erlöse – Durchschnittliche Kosten
3. Rentabilitätsrechnung
Setzt den durchschnittlichen Gewinn ins Verhältnis zum eingesetzten Kapital.
Formel: Rentabilität = (Durchschnittlicher Gewinn / Kapitaleinsatz) × 100 %
4. Amortisationsrechnung (Payback-Methode)
Berechnet, wie lange es dauert, bis die Investitionsauszahlung durch Rückflüsse wieder erwirtschaftet ist.
Formel: Amortisationszeit = Investitionssumme / Durchschnittlicher Rückfluss pro Periode
Praxisbeispiel: Ein Einzelhändler überlegt, ein neues Kassensystem für 15.000 € anzuschaffen. Es spart jährlich 5.000 € an Personalkosten. Die Amortisationszeit beträgt: 15.000 € / 5.000 € = 3 Jahre.
Dynamische Verfahren
Dynamische Verfahren berücksichtigen den zeitlichen Anfall von Zahlungen und den Zinssatz (Zeitwert des Geldes). Sie sind genauer, aber auch rechenaufwendiger.
1. Kapitalwertmethode (Net Present Value, NPV)
Die Kapitalwertmethode ist das wichtigste dynamische Verfahren. Sie diskontiert alle zukünftigen Ein- und Auszahlungen auf den heutigen Zeitpunkt und vergleicht sie mit der Anfangsinvestition.
Formel:
Kapitalwert (NPV) = Σ (Cashflow_t / (1 + i)^t) - Investitionsauszahlung
Dabei gilt:
- i = Kalkulationszinssatz (geforderte Mindestverzinsung)
- t = Zeitperiode
- Cashflow_t = Zahlungsüberschuss in Periode t
Entscheidungsregel:
- NPV > 0: Investition lohnt sich
- NPV = 0: Investition bringt genau die geforderte Mindestverzinsung
- NPV < 0: Investition lohnt sich nicht
Beispielrechnung:
Ein Unternehmen plant eine Investition von 10.000 €. Der Kalkulationszinssatz beträgt 8 %. Die erwarteten Rückflüsse über drei Jahre:
| Jahr | Cashflow | Diskontfaktor (1/(1+0,08)^t) | Barwert |
|---|---|---|---|
| 1 | 3.000 € | 0,9259 | 2.778 € |
| 2 | 4.000 € | 0,8573 | 3.429 € |
| 3 | 5.000 € | 0,7938 | 3.969 € |
| Summe Barwerte | 10.176 € | ||
| Kapitalwert (NPV) | +176 € |
Interpretation: Die Investition lohnt sich, da der Kapitalwert positiv ist. Das Unternehmen erwirtschaftet 176 € mehr als die geforderte Mindestverzinsung von 8 %.
Mehr Details zur Kapitalwertmethode findest du in unserem ausführlichen Artikel zur Kapitalwertmethode.
2. Methode des internen Zinsfußes (Internal Rate of Return, IRR)
Der interne Zinsfuß ist der Zinssatz, bei dem der Kapitalwert genau null wird. Er gibt die tatsächliche Rendite einer Investition an.
Formel:
0 = Σ (Cashflow_t / (1 + IRR)^t) - Investitionsauszahlung
Der IRR wird meist iterativ oder mit Finanzsoftware berechnet.
Entscheidungsregel:
- IRR > Kalkulationszinssatz: Investition lohnt sich
- IRR < Kalkulationszinssatz: Investition lohnt sich nicht
Praxisbeispiel: BMW prüft den Bau einer neuen Batteriefabrik in Ungarn. Die Investition beträgt 2 Milliarden Euro. Mithilfe der Kapitalwertmethode und des internen Zinsfußes wird geprüft, ob die erwarteten Cashflows über 15 Jahre die Investition rechtfertigen. Bei einem IRR von 12 % und Kapitalkosten von 8 % ist das Projekt wirtschaftlich attraktiv.
Weitere Informationen zum Kalkulationszinsfuß findest du hier: Kalkulationszinsfuß.
3. Annuitätenmethode
Die Annuitätenmethode rechnet den Kapitalwert in eine gleichbleibende jährliche Zahlung (Annuität) um. Dies erleichtert den Vergleich von Investitionen mit unterschiedlichen Laufzeiten.
Formel:
Annuität = Kapitalwert × [i × (1+i)^n] / [(1+i)^n - 1]
Finanzierungskosten und Kapitalstruktur
Die Wahl der Finanzierungsform hat direkten Einfluss auf die Kapitalkosten eines Unternehmens. Unter Kapitalkosten versteht man die Kosten, die für die Beschaffung von Eigen- und Fremdkapital anfallen.
Eigenkapitalkosten
Eigenkapital hat keine festen Zinszahlungen, ist aber nicht kostenlos. Die Eigenkapitalgeber erwarten eine Rendite in Form von Dividenden und Kursgewinnen. Diese erwartete Rendite stellt die Eigenkapitalkosten dar.
Berechnung: Oft wird das Capital Asset Pricing Model (CAPM) verwendet:
Eigenkapitalkosten = Risikofreier Zins + Beta × Marktrisikoprämie
Fremdkapitalkosten
Fremdkapital verursacht Zinskosten. Ein Vorteil: Zinsen sind steuerlich absetzbar (Steuerschild), was die effektiven Fremdkapitalkosten senkt.
Formel:
Effektive Fremdkapitalkosten = Nominalzins × (1 - Steuersatz)
Weighted Average Cost of Capital (WACC)
Die gewichteten durchschnittlichen Kapitalkosten berücksichtigen sowohl Eigen- als auch Fremdkapitalkosten:
WACC = (Eigenkapital / Gesamtkapital) × Eigenkapitalkosten + (Fremdkapital / Gesamtkapital) × Fremdkapitalkosten × (1 - Steuersatz)
Praxisbeispiel: Ein Unternehmen hat 60 % Eigenkapital (Kosten: 10 %) und 40 % Fremdkapital (Zins: 5 %, Steuersatz: 30 %). Die WACC betragen: WACC = 0,6 × 10 % + 0,4 × 5 % × (1-0,3) = 6 % + 1,4 % = 7,4 %
Eine ausgewogene Kapitalstruktur minimiert die Kapitalkosten und maximiert den Unternehmenswert. Mehr dazu erfährst du auf unserer Seite zu Finanzierungsarten.
Liquiditätsmanagement und Working Capital
Neben langfristigen Investitions- und Finanzierungsentscheidungen ist das kurzfristige Liquiditätsmanagement entscheidend für den Unternehmenserfolg. Selbst profitable Unternehmen können in Zahlungsschwierigkeiten geraten, wenn sie ihre Liquidität nicht im Griff haben.
Working Capital
Das Working Capital (Betriebskapital) misst die kurzfristige finanzielle Gesundheit:
Working Capital = Umlaufvermögen - kurzfristige Verbindlichkeiten
Ein positives Working Capital zeigt, dass das Unternehmen seine kurzfristigen Verpflichtungen aus dem Umlaufvermögen decken kann.
Liquiditätsgrade
| Kennzahl | Formel | Interpretation |
|---|---|---|
| Liquidität 1. Grades (Barliquidität) | Zahlungsmittel / kurzfristige Verbindlichkeiten | Idealwert: 20-30 % |
| Liquidität 2. Grades (Einzugsliquidität) | (Zahlungsmittel + Forderungen) / kurzfristige Verbindlichkeiten | Idealwert: 100-120 % |
| Liquidität 3. Grades (Umlaufliquidität) | Umlaufvermögen / kurzfristige Verbindlichkeiten | Idealwert: 150-200 % |
Praxisbeispiel: Ein Handelsunternehmen hat 50.000 € auf dem Bankkonto, 100.000 € Forderungen und 180.000 € Vorräte. Die kurzfristigen Verbindlichkeiten betragen 150.000 €. Die Liquidität 2. Grades beträgt: (50.000 + 100.000) / 150.000 = 100 %. Das Unternehmen kann seine kurzfristigen Schulden gerade noch decken.
Risiko und Rendite
Investitions- und Finanzierungsentscheidungen sind immer mit Unsicherheit verbunden. Die erwarteten Cashflows können von den tatsächlichen abweichen. Daher ist es wichtig, Risiken zu analysieren und zu bewerten.
Risikoarten
- Marktrisiko: Veränderungen von Zinsen, Wechselkursen oder Aktienkursen
- Geschäftsrisiko: Unsicherheiten im operativen Geschäft (Absatzschwankungen, Kostensteigerungen)
- Finanzierungsrisiko: Risiko durch hohe Verschuldung (Leverage-Effekt)
- Liquiditätsrisiko: Gefahr der Zahlungsunfähigkeit
Risikoanalyse-Methoden
Sensitivitätsanalyse: Untersucht, wie sich Änderungen einzelner Faktoren (z. B. Absatzmengen, Preise) auf den Kapitalwert auswirken.
Szenarioanalyse: Bewertet verschiedene Szenarien (Best Case, Base Case, Worst Case) und deren Auswirkungen.
Simulationsverfahren: Monte-Carlo-Simulationen berechnen Wahrscheinlichkeitsverteilungen möglicher Ergebnisse.
Risiko-Rendite-Zusammenhang
Grundregel: Höheres Risiko erfordert höhere erwartete Rendite. Investoren verlangen eine Risikoprämie für unsichere Anlagen.
| Anlageform | Risikoniveau | Erwartete Rendite |
|---|---|---|
| Staatsanleihen (AAA) | Sehr niedrig | 1-3 % |
| Unternehmensanleihen (Investment Grade) | Niedrig-mittel | 3-5 % |
| Blue-Chip-Aktien | Mittel | 7-10 % |
| Start-up-Investitionen | Sehr hoch | 20 %+ |
Praxistipps für Studierende
1. Verstehe die Zusammenhänge
Lerne nicht isoliert Formeln auswendig, sondern verstehe die wirtschaftlichen Zusammenhänge: Warum wird diskontiert? Was bedeutet ein positiver Kapitalwert wirklich? Wie hängen Finanzierung und Investition zusammen?
2. Rechne selbst
Arbeite Beispiele durch. Nutze Excel oder Online-Rechner, um Kapitalwerte, Amortisationszeiten oder Rentabilitäten zu berechnen. Je mehr du übst, desto sicherer wirst du.
3. Denke in Szenarien
In der Praxis ist selten alles eindeutig. Überlege dir bei Aufgaben: Was wäre, wenn die Verkaufszahlen niedriger ausfallen? Was passiert bei steigenden Zinsen?
4. Nutze Visualisierungen
Zeichne Zahlungsstrahlen, erstelle Zeitachsen, nutze Tabellen. Visuelle Darstellungen helfen enorm beim Verständnis.
5. Vernetze dein Wissen
Investition und Finanzierung hängen eng mit anderen Bereichen zusammen: Controlling, Rechnungswesen, Steuern, Strategie. Versuche, diese Verbindungen zu erkennen.
Aktuelle Trends und Entwicklungen
Die Welt der Investitionen und Finanzierung entwickelt sich ständig weiter:
Nachhaltige Finanzierung (ESG)
Immer mehr Investoren legen Wert auf Environmental, Social, Governance (ESG)-Kriterien. Nachhaltige Projekte erhalten leichter Zugang zu günstigem Kapital. Green Bonds (grüne Anleihen) boomen.
Digitalisierung
FinTechs revolutionieren die Finanzierung: Crowdfunding, Peer-to-Peer-Lending, digitale Kredite. Unternehmen haben mehr Finanzierungsoptionen als je zuvor.
Niedrigzinsumfeld
Lange Zeit herrschten historisch niedrige Zinsen. Dies beeinflusste Investitionsentscheidungen massiv: Projekte mit niedrigerer Rendite wurden realisierbar. Aktuell steigen die Zinsen wieder, was die Investitionsdynamik verändert.
Künstliche Intelligenz
KI-gestützte Algorithmen unterstützen bei Investitionsentscheidungen, Risikoanalysen und Portfolio-Optimierung.
Praxisbeispiel: Siemens hat sich verpflichtet, bis 2030 klimaneutral zu werden. Investitionsentscheidungen werden zunehmend nach ESG-Kriterien bewertet. Projekte mit hohem CO₂-Ausstoß haben intern höhere Hürdenraten (Kalkulationszinssätze) zu überwinden.
Häufige Fehler und wie du sie vermeidest
Fehler 1: Zeitwert des Geldes ignorieren
Problem: Statische Verfahren verwenden, wo dynamische notwendig wären. Lösung: Bei mehrjährigen Projekten immer diskontieren (Kapitalwertmethode nutzen).
Fehler 2: Risiko nicht berücksichtigen
Problem: Mit „Best-Case"-Zahlen rechnen, ohne Unsicherheiten zu beachten. Lösung: Sensitivitäts- oder Szenarioanalysen durchführen.
Fehler 3: Liquidität vernachlässigen
Problem: Profitable, aber illiquide Investitionen führen zu Zahlungsschwierigkeiten. Lösung: Cashflow-Planung parallel zur Rentabilitätsanalyse durchführen.
Fehler 4: Opportunitätskosten vergessen
Problem: Alternativen nicht berücksichtigen (Was könnte man sonst mit dem Geld machen?). Lösung: Immer mehrere Optionen vergleichen, auch die Alternative „nichts tun" oder „Geld anlegen".
Fehler 5: Steuereffekte ignorieren
Problem: Bruttogrößen verwenden statt Nettogrößen nach Steuern. Lösung: Steuervorteile der Fremdfinanzierung (Steuerschild) einrechnen.
Zusammenfassung und weiterführende Ressourcen
Erinnerst Du dich an die Eingangsfrage: 100.000 Euro – Maschine oder Sparkonto? Kredit oder Eigenkapital? Jetzt hast Du die Werkzeuge, um solche Entscheidungen systematisch zu treffen. Du weißt, wie man den Kapitalwert berechnet, um herauszufinden, ob sich die Maschine lohnt. Du verstehst, warum der Zeitpunkt der Zahlungen eine Rolle spielt. Und Du kannst einschätzen, welche Finanzierungsform in welcher Situation sinnvoll ist.
Investition und Finanzierung sind zwei Seiten derselben Medaille: Während die Investition die Verwendung von Kapital beschreibt, zeigt die Finanzierung dessen Herkunft. Beide Bereiche sind entscheidend für den wirtschaftlichen Erfolg von Unternehmen.
Die wichtigsten Erkenntnisse im Überblick:
- Investitionen sollten systematisch mit dynamischen Verfahren wie der Kapitalwertmethode oder dem internen Zinsfuß bewertet werden
- Der Zeitwert des Geldes ist zentral: Ein Euro heute ist mehr wert als ein Euro morgen, weil er heute schon angelegt werden kann
- Finanzierung erfolgt über Eigenkapital oder Fremdkapital, wobei beide unterschiedliche Kosten und Risiken mit sich bringen
- Der gewichtete Kapitalkostensatz (WACC) gibt an, wie teuer das Kapital eines Unternehmens durchschnittlich ist und dient oft als Kalkulationszins
- Die richtige Kapitalstruktur balanciert Kosten und Risiko und ist entscheidend für die finanzielle Stabilität
- Spezialformen wie Leasing, Factoring und Mezzanine-Kapital bieten zusätzliche Flexibilität
- Risiko und Unsicherheit müssen durch Sensitivitätsanalysen und Szenariobetrachtungen berücksichtigt werden
Beliebte Themen und Lernressourcen
Eigenkapital vs. Fremdkapital (Vertiefung)
Die richtige Balance zwischen Eigenkapital und Fremdkapital ist eine der wichtigsten Entscheidungen im Finanzmanagement. Vertiefende Informationen findest Du in unserem ausführlichen Artikel zur Eigen- und Fremdfinanzierung.
Weitere spezifische Themen:
- Fremdfinanzierung im Detail
- Zeitwert des Geldes
- Schätzung der Kapitalkosten
- Unternehmensbewertung mit DCF
Finanzwirtschaft Lernkarten (Verweis)
Zur praktischen Vorbereitung und Vertiefung empfehlen wir unsere Lernkarten zur Investition und Finanzierung. Diese bieten:
- Kompakte Zusammenfassungen aller wichtigen Konzepte
- Übungsaufgaben mit Lösungen
- Interaktive Lernmöglichkeiten
- Prüfungsrelevante Inhalte
Praktische Tools und Rechner:
- Zinsrechner für Kapitalwertberechnungen
- Zinsfußberechnung
- Excel-Funktionen:
=NBW()(Kapitalwert),=IKV()(Interner Zinsfuß),=BW()(Barwert)
Weiterführende Ressourcen und Quellen
Offizielle Institutionen:
- Deutsche Bundesbank – Statistiken zu Zinssätzen, Finanzierungskosten und Kapitalmarktdaten
- Statistisches Bundesamt – Investitionsdaten und wirtschaftliche Kennzahlen deutscher Unternehmen
Internationale Fachliteratur:
- Investopedia – Net Present Value – Ausführliche Erklärungen zu NPV und anderen Investitionskennzahlen
- Investopedia – WACC – Umfassender Guide zu gewichteten Kapitalkosten
- Corporate Finance Institute – Kostenlose Templates und Rechner für Investitionsrechnungen
Wenn Du die Grundlagen verstanden hast, kannst Du dich nun in die einzelnen Methoden und Konzepte vertiefen. Jedes der hier vorgestellten Themen bietet Raum für weitere Vertiefung und praktische Anwendung.
Die Welt der Investition und Finanzierung ist komplex, aber mit dem richtigen Fundament wirst Du nicht nur Prüfungen meistern, sondern auch ein besseres Verständnis für wirtschaftliche Entscheidungen in Unternehmen entwickeln. Viel Erfolg beim Lernen!

