Angebotsorientierte Wirtschaftspolitik einfach erklärt

Autor:Lisa
Angebotsorientierte Wirtschaftspolitik einfach erklärt
Was ist angebotsorientierte Politik? Erfahre, wie Steuersenkungen und Deregulierung die Wirtschaft beeinflussen.

Was versteht man unter angebotsorientierten wirtschaftspolitischen Maßnahmen?

Angebotsorientierte Wirtschaftspolitik zählt zu den zentralen volkswirtschaftlichen Konzepten, die du als Wirtschaftsstudent:in unbedingt verstehen solltest. Im Kern geht es darum, die Produktionsbedingungen einer Volkswirtschaft zu verbessern, um das gesamtwirtschaftliche Angebot zu erhöhen und langfristiges Wirtschaftswachstum zu fördern.

Anders als bei der nachfrageorientierten Wirtschaftspolitik, die vor allem auf kurzfristige Konjunktursteuerung abzielt, konzentriert sich die Angebotstheorie auf strukturelle Verbesserungen der Wirtschaft. Diese sollen die Produktionskapazitäten erweitern und Unternehmen zu mehr Investitionen und Innovationen anregen.

Warum ist die Angebotsökonomik als Gegenentwurf zum Keynesianismus entstanden?

Die angebotsorientierte Wirtschaftspolitik erlebte insbesondere in den 1970er und 1980er Jahren einen Aufschwung, als die keynesianischen Ansätze an ihre Grenzen stießen. Nach den Ölkrisen der 1970er Jahre waren viele westliche Volkswirtschaften mit einem ungewöhnlichen Phänomen konfrontiert: Stagflation – die gleichzeitige Existenz von wirtschaftlicher Stagnation und Inflation.

Die klassische keynesianische Theorie hatte für dieses Phänomen keine zufriedenstellende Erklärung. Im Gegensatz dazu argumentierten Vertreter der angebotsorientierten Wirtschaftspolitik, dass übermäßige staatliche Eingriffe, hohe Steuern und regulatorische Hürden das Wirtschaftswachstum bremsten.

"Die Wirtschaft ist nicht krank, weil die Menschen zu wenig konsumieren, sondern weil sie zu wenig produzieren." – Arthur Laffer, einer der bekanntesten Vertreter der Angebotsökonomik

Welche theoretischen Grundlagen prägen die Supply-Side Economics?

Die angebotsorientierte Wirtschaftspolitik baut auf mehreren theoretischen Säulen auf:

Wie funktioniert die Laffer-Kurve?

Eine zentrale Theorie ist die nach dem Ökonomen Arthur Laffer benannte Laffer-Kurve. Sie beschreibt den Zusammenhang zwischen Steuersätzen und staatlichen Steuereinnahmen.

Die Grundidee: Bei einem Steuersatz von 0% erzielt der Staat keine Einnahmen. Bei einem Steuersatz von 100% würde theoretisch niemand mehr arbeiten, da sämtliche Einkünfte an den Staat gehen – die Steuereinnahmen wären ebenfalls null. Irgendwo dazwischen liegt ein optimaler Steuersatz, der die höchsten Einnahmen generiert.

Die Laffer-Kurve suggeriert, dass Steuersenkungen unter bestimmten Bedingungen zu höheren Staatseinnahmen führen können, wenn die aktuellen Steuersätze im "prohibitiven Bereich" der Kurve liegen. Dies geschieht durch die Stimulierung wirtschaftlicher Aktivität und die Reduzierung von Steuervermeidung.

SteuersatzVerhaltenseffektAuswirkung auf Steuereinnahmen
0%Maximale wirtschaftliche Aktivität, aber keine BesteuerungKeine Steuereinnahmen
NiedrigHohe wirtschaftliche Aktivität mit minimaler SteuervermeidungSteigende Einnahmen
OptimalAusgewogenes Verhältnis zwischen Besteuerung und wirtschaftlicher AktivitätMaximale Steuereinnahmen
HochWirtschaftliche Aktivität wird gehemmt, zunehmende SteuervermeidungSinkende Einnahmen
100%Keine wirtschaftliche Aktivität im formellen SektorKeine Steuereinnahmen

Welche Rolle spielt die Neoklassische Produktionsfunktion?

Die angebotsorientierte Wirtschaftspolitik greift auf die neoklassische Produktionsfunktion zurück, die das Verhältnis zwischen Produktionsfaktoren und dem gesamtwirtschaftlichen Output beschreibt. Nach dieser Theorie wird das Wirtschaftswachstum durch die Menge und Qualität der Produktionsfaktoren (Arbeit, Kapital, Technologie) bestimmt.

Angebotsökonomen argumentieren, dass Wirtschaftspolitik darauf abzielen sollte, die Qualität und Verfügbarkeit dieser Produktionsfaktoren zu verbessern, anstatt die gesamtwirtschaftliche Nachfrage kurzfristig zu stimulieren.

Was besagt die Say'sche Theorie?

Die Say'sche Theorie, benannt nach dem französischen Ökonomen Jean-Baptiste Say, ist ein weiterer wichtiger theoretischer Baustein. Say argumentierte, dass "jedes Angebot schafft seine eigene Nachfrage" – ein Grundsatz, der oft als "Say'sches Gesetz" bezeichnet wird.

Die Idee dahinter: Wenn Unternehmen Güter produzieren und verkaufen, entstehen Einkommen in Form von Löhnen, Gewinnen und anderen Zahlungen. Diese Einkommen ermöglichen wiederum den Kauf von Gütern und Dienstleistungen – die Produktion schafft also ihre eigene Nachfrage.

Angebotsökonomen schließen daraus, dass eine Wirtschaftspolitik, die die Produktion fördert, automatisch auch die Nachfrage steigert.

Welche konkreten Instrumente nutzt die angebotsorientierte Politik?

Die angebotsorientierte Wirtschaftspolitik umfasst verschiedene Maßnahmen, die darauf abzielen, die Produktionsbedingungen zu verbessern:

Wie wirken sich Steuersenkungen auf die Wirtschaft aus?

Steuersenkungen, insbesondere bei Einkommens- und Unternehmenssteuern, sind ein Kernstück der angebotsorientierten Politik. Durch niedrigere Steuern sollen Anreize für Arbeit, Investitionen und unternehmerisches Handeln geschaffen werden.

Die Logik dahinter:

  • Niedrigere Einkommenssteuern erhöhen den Anreiz zu arbeiten und weiterzubilden
  • Reduzierte Unternehmenssteuern fördern Investitionen und Innovationen
  • Geringere Kapitalertragssteuern stimulieren die Kapitalbildung

Ein historisches Beispiel sind die Steuersenkungen unter der Reagan-Administration in den USA in den 1980er Jahren, als die Spitzensteuersätze von 70% auf 28% gesenkt wurden.

"Wenn du die Steuern auf Arbeit, Sparen und Investitionen senkst, erhältst du mehr Arbeit, Sparen und Investitionen." – Ronald Reagan

Inwiefern tragen Deregulierungsmaßnahmen zum Wirtschaftswachstum bei?

Ein weiteres wichtiges Instrument ist die Deregulierung von Märkten. Angebotsökonomen argumentieren, dass übermäßige Regulierung die wirtschaftliche Effizienz verringert und Innovationen hemmt.

Deregulierungsmaßnahmen können umfassen:

  • Abbau von Handelsbeschränkungen
  • Lockerung von Arbeitsmarktregulierungen
  • Vereinfachung von Genehmigungsverfahren
  • Reduzierung von Markteintrittsbarrieren

Die Deregulierung des Luftverkehrs in den USA in den späten 1970er Jahren ist ein Beispiel für solche Maßnahmen, die zu niedrigeren Preisen und einer höheren Verfügbarkeit von Flügen führten.

Wie kann eine restriktive Geldpolitik zur Preisstabilität beitragen?

Im Gegensatz zum keynesianischen Ansatz, der eine expansive Geldpolitik zur Stimulierung der Nachfrage befürwortet, setzt die angebotsorientierte Wirtschaftspolitik auf eine restriktive Geldpolitik zur Bekämpfung der Inflation.

Eine stabile Währung und niedrige Inflationsraten schaffen Planungssicherheit für Unternehmen und Haushalte, was wiederum Investitionen und langfristiges Wachstum fördert. Die Geldpolitik der Deutschen Bundesbank und später der Europäischen Zentralbank mit ihrem primären Fokus auf Preisstabilität ist ein Beispiel für diesen Ansatz.

Welche Bedeutung haben Privatisierung und Wettbewerbsförderung?

Die Privatisierung staatlicher Unternehmen und die Förderung des Wettbewerbs sind weitere wichtige Instrumente. Angebotsökonomen argumentieren, dass private Unternehmen in der Regel effizienter arbeiten als staatliche und dass Wettbewerb zu Innovationen und Produktivitätssteigerungen führt.

Beispiele für Privatisierungen sind die Umwandlung der Deutschen Bundespost in Deutsche Post, Deutsche Telekom und Postbank oder die Privatisierung der Deutschen Bahn AG.

Wo wurde angebotsorientierte Wirtschaftspolitik praktisch umgesetzt?

Was war die "Reaganomics"?

Die Wirtschaftspolitik unter US-Präsident Ronald Reagan (1981-1989), oft als "Reaganomics" bezeichnet, ist ein Paradebeispiel für angebotsorientierte Politik. Sie umfasste:

  • Massive Steuersenkungen (Economic Recovery Tax Act von 1981)
  • Deregulierung verschiedener Wirtschaftszweige
  • Restriktive Geldpolitik zur Inflationsbekämpfung
  • Reduzierung von Sozialausgaben

Die Folgen waren gemischt: Einerseits erlebte die US-Wirtschaft in den 1980er Jahren ein starkes Wachstum, andererseits stiegen die Staatsschulden erheblich an.

Wie hat der "Thatcherismus" die britische Wirtschaft verändert?

In Großbritannien verfolgte Premierministerin Margaret Thatcher (1979-1990) einen ähnlichen wirtschaftspolitischen Kurs:

  • Senkung der Einkommens- und Unternehmenssteuern
  • Umfangreiche Privatisierungen (British Telecom, British Airways, etc.)
  • Einschränkung der Macht der Gewerkschaften
  • Deregulierung der Finanzmärkte

Diese Politik führte zu einer Transformation der britischen Wirtschaft von einer traditionellen Industriewirtschaft hin zu einer stärker dienstleistungsorientierten Wirtschaft mit einem bedeutenden Finanzsektor.

Welche angebotsorientierten Elemente enthielt die deutsche Agenda 2010?

In Deutschland wurden mit der Agenda 2010 unter Bundeskanzler Gerhard Schröder Anfang der 2000er Jahre angebotsorientierte Reformen umgesetzt:

  • Flexibilisierung des Arbeitsmarktes
  • Senkung der Lohnnebenkosten
  • Reduzierung der Unternehmenssteuerbelastung
  • Reform der Sozialsysteme

Diese Maßnahmen werden oft als Grund für die relative Widerstandsfähigkeit der deutschen Wirtschaft während der Finanzkrise 2008/2009 angeführt.

Welche kritischen Punkte werden gegen die Angebotsökonomik vorgebracht?

Führen Steuersenkungen wirklich zu höheren Einnahmen?

Eine häufige Kritik an der Laffer-Kurve ist, dass Steuersenkungen in der Praxis selten zu höheren Staatseinnahmen führen. Kritiker argumentieren, dass die meisten entwickelten Länder sich auf der linken Seite der Laffer-Kurve befinden, wo Steuersenkungen tatsächlich zu niedrigeren Einnahmen führen.

Die Steuersenkungen unter der Bush-Administration in den USA (2001 und 2003) führten beispielsweise zu erheblichen Einnahmeausfällen und trugen zur Verschuldung bei.

Verschärft angebotsorientierte Politik soziale Ungleichheit?

Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass angebotsorientierte Maßnahmen oft zu einer Zunahme der sozialen Ungleichheit führen. Steuersenkungen begünstigen tendenziell höhere Einkommensgruppen, während Kürzungen bei Sozialausgaben untere Einkommensschichten stärker belasten.

Studien haben gezeigt, dass sowohl in den USA als auch in Großbritannien die Einkommensungleichheit während der Umsetzung angebotsorientierter Politiken deutlich zunahm.

Kann angebotsorientierte Politik kurzfristige Konjunkturkrisen lösen?

Angebotsorientierten Maßnahmen wird oft vorgeworfen, dass sie wenig geeignet sind, um kurzfristige wirtschaftliche Krisen zu bekämpfen. Da sie auf langfristiges Wachstum abzielen, können ihre positiven Effekte erst mit erheblicher Verzögerung eintreten.

In einer akuten Rezession, in der die gesamtwirtschaftliche Nachfrage einbricht, können nachfrageorientierte Maßnahmen möglicherweise schneller wirken.

Wo steht die angebotsorientierte Wirtschaftspolitik heute?

Die streng angebotsorientierte Wirtschaftspolitik der 1980er Jahre ist heute in ihrer reinen Form selten anzutreffen. Stattdessen haben sich in vielen Ländern pragmatischere Ansätze durchgesetzt, die Elemente aus verschiedenen wirtschaftspolitischen Schulen kombinieren.

Moderne Wirtschaftspolitik erkennt zunehmend an, dass sowohl angebots- als auch nachfrageorientierte Maßnahmen ihre Berechtigung haben – je nach wirtschaftlicher Lage und Zielsetzung.

Wie relevant ist die Angebotsökonomik in Zeiten von Klimawandel und Digitalisierung?

Mit dem Aufkommen neuer Herausforderungen wie Klimawandel und Digitalisierung gewinnen bestimmte angebotsorientierte Instrumente neue Relevanz:

  • Anreize für umweltfreundliche Technologien durch Steuervergünstigungen
  • Investitionen in Bildung und digitale Infrastruktur
  • Anpassung regulatorischer Rahmenbedingungen an die digitale Wirtschaft

Diese Maßnahmen zielen darauf ab, die langfristigen Produktionsbedingungen zu verbessern und gleichzeitig gesellschaftliche Herausforderungen zu adressieren.

Welche Lehren kannst du als Wirtschaftsstudent aus der Angebotsökonomik ziehen?

Als Wirtschaftsstudent:in ist es wichtig, die unterschiedlichen wirtschaftspolitischen Ansätze zu verstehen und kritisch zu bewerten. Die angebotsorientierte Wirtschaftspolitik bietet wichtige Erkenntnisse über die Bedeutung der Produktionsbedingungen für langfristiges Wirtschaftswachstum.

Gleichzeitig solltest du ihre Grenzen erkennen und sie im Kontext anderer wirtschaftspolitischer Schulen betrachten. Eine ausgewogene wirtschaftspolitische Strategie berücksichtigt sowohl angebots- als auch nachfrageseitige Faktoren und passt sich an die spezifischen Herausforderungen und Bedürfnisse einer Volkswirtschaft an.

In der ökonomischen Praxis und Forschung werden oft Kombinationen verschiedener Ansätze verwendet, um optimale Ergebnisse zu erzielen. Das Verständnis der angebotsorientierten Wirtschaftspolitik ist daher ein wichtiger Baustein deiner wirtschaftswissenschaftlichen Ausbildung, aber nicht die alleinige Lösung für alle wirtschaftlichen Probleme.

Weiterführende Ressourcen zur Vertiefung des Themas

Wenn du dein Wissen über angebotsorientierte Wirtschaftspolitik vertiefen möchtest, empfehlen sich folgende Ressourcen:

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